Charles Darwin & der wissenschaftliche Sozialismus - MASCH-Tagung am 14. u. 15. November 2009 in Hamburg
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Tagungsprogramm


1o:oo Uhr
Einleitung


1o:15 Uhr
Christine Zunke (Oldenburg)
Biologie und Ideologie

Die Evolutionstheorie Charles Darwins hat das Selbstverständnis des Menschen geradezu revolutioniert: Die Lehre von der Abstammung der Arten aus gemeinsamen Vorfahren marginalisierte die in der christlichen Welt geltenden Vorstellungen von der Schöpfung des Menschen und seiner Ebenbildlichkeit Gottes. Bis in die Philosophie und Anthropologie hinein wurde die traditionelle Sonderstellung des Menschen radikal in Frage gestellt, wurde nicht mehr von Mensch und Tier, sondern von Menschen und anderen Tieren gesprochen.
Doch in diesem Akt der Aufklärung schwang von Anfang an zugleich ein reaktionärer Gehalt mit; denn unter den Mechanismen von Selektion und Mutation wird Erfolg zum einzigen Qualitätsmerkmal. So entstand eine Soziobiologie, die nach dem Nutzen von ethischem Verhalten fragt und jeder Moralvorstellung attestiert, dann ihren Wert zu verlieren, wenn sie diesen Nutzen einbüßt. So erklärten Verhaltensforscher und Neurobiologen die Finanzkrise aus dem Risikoverhalten von Primaten und spielten sie mit apfelstückchentauschenden Makaken im Labor nach, um diese These zu belegen.
Wenn zwischen Naturgesetz und ökonomischen Gesetzen keine prinzipielle Differenz mehr markiert wird, wenn die Vernunft des Menschen zum technisch-praktischen Vermögen eines verlängerten Instinktes reduziert wird, dann wird der Mensch als selbstbewusstes Subjekt seiner Gesellschaft negiert. So hat die Evolutionstheorie der Biologie die Tür geöffnet, menschliches Verhalten und gesellschaftliche Strukturen zu ihrem Gegenstand zu machen. Hierüber werden Herrschaftsformen ideologisch gefestigt, indem sie zu natürlichen Formen des Zusammenlebens erklärt werden.


11:45 Uhr  kurze Pause


11:55 Uhr
Ansgar Knolle-Grothusen (Hamburg)
Malthus – Darwin – Marx und der Unterschied zwischen Naturgesetzen
und gesellschaftlichen Gesetzen

Anhand des Populationsgesetzes von Malthus und seiner Rezeption und Kritik durch Darwin und Marx soll das Marxsche Verständnis der Gemeinsamkeiten und des Unterschieds von Naturgesetzen und naturwüchsig sich durchsetzenden gesellschaftlichen Gesetzen vorgestellt werden.


13:3o Uhr  Mittagspause


14:3o Uhr
Michael Sommer (Hamburg)
"Wie auch im Thierreich" – Gesellschaftliche Arbeitsteilung bei Karl Marx
und Ernst Haeckel

Im Kapital legte Karl Marx nahe, die Arbeitsteilung in der Gesellschaft sei durch dieselben Gesetze vermittelt, wie die Sonderung der verschiedenen Tierarten in der Natur. Der Biologe Ernst Haeckel erklärte in einem Vortrag über „Arbeitsteilung in Natur- und Menschenleben“, es sei dasselbe „große Gesetz der Arbeitsteilung“, das die Entwicklung in Natur und Gesellschaft bestimme. Während Marx den wissenschaftlichen Sozialismus begründete, gilt Haeckel als geistiger Ahn des Sozialdarwinismus. Wie kommt die Ähnlichkeit ihrer Auffassungen über Arbeitsteilung zustande? Oder handelt es sich nur um eine scheinbare Parallele?


16:oo Uhr  kurze Pause

16:1o Uhr
Dieter Wolf (Mülheim)
Bemerkungen zu Friedrich Engels Schrift über den „Anteil der Arbeit an
der Menschwerdung des Affen“

Friedrich Engels leitet seine unvollendete Schrift mit einem kurzen, aus drei Sätzen bestehenden Absatz ein. Die Bedeutung, die er der „Arbeit“ als „Anteil an der Menschwerdung des Affen“ beimisst, umschreibt er mit den Worten: „Die Arbeit ist die Quelle allen Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies - neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.“ Wenn Engels der „Arbeit“ diese Bedeutung beimisst, dann stößt man auf Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, bestimmen zu müssen, dass es sich nicht um irgendeine „Arbeit“ handelt, sondern in einem ganz bestimmten Sinne um „gesellschaftliche Arbeit“. Gerade auch angesichts einer reduktionistisch- instrumentalistischen Auffassung von „Arbeit“ in den Evolutionstheorien kommt alles auf das Verständnis der „gesellschaftlichen Arbeit“ als ein bestimmtes Verhalten der Menschen zueinander und zur Natur an. Nur dann vermag man zu erkennen, ob und inwieweit sie die „erste Grundbedingung menschlichen Lebens“ ist, mit der sich im Verlaufe der Evolution die Einheit von Natur- und Menschengeschichte entwickelt, die in einer gerade heute rapide voranschreitenden Vereinheitlichung der Natur- Sozial- und Geisteswissenschaften zum Ausdruck kommt.



Ort und Zeit

Die Tagung findet am 14.11.2009 in der Zeit von 10 bis 18 Uhr an der Universität Hamburg (Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügelbau West, Raum 221) statt.




Tagungsprogramm als PDF-Dokument



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Tagung